Der blinde Fleck des Artur K. Vogel

Artur K. Vogel, Chefredaktor des «Bund», hat sich in den letzten Jahren vom hemdsärmligen Polterer zum pointierten Kommentator gemausert. Seine Stellungnahmen sind oft vielseitig, informativ und bringen es auf den Punkt.

Einen blinden Fleck ist Vogel leider nicht losgeworden: Israel. Wenn es um den Nahostkonflikt geht, verliert Vogel regelmässig den Überblick und vergreift sich im Ton.

So auch am vergangenen Samstag in der Plattform «Perspektiven». Unter dem Titel «Schweizer, kauft nicht bei …!» befasst sich Vogel mit «BDS. Boykott – Desinvestition – Sanktionen gegen Israel bis zum Ende von Apartheid und Besatzung in Palästina». BDS hat der letzten WOZ ein Faltblatt beigelegt, in dem 39 zum Teil bekannte Köpfe (unter ihnen Parlamentarier, Journalisten und Juristen) zum Boykott Israels aufrufen.

Um gleich die richtige Stimmung zu schaffen, vergleicht Vogel das BDS-Faltblatt mit Fahndungsplakaten im Kampf gegen die «Rote Armee Fraktion». Zudem sind die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Aufrufs bei Vogel nicht einfach Linke, sondern «aus der linken Ecke». Und um die 39 abgebildeten Köpfe als Ganzes zu diskreditieren, pickt sich Vogel den Zürcher Nationalrat Daniel Vischer (Grüne) heraus. Einen Mann, der umstritten ist und von dem Vogel nur zu genau weiss, dass er viele Leute nervt. In der Folge hackt Vogel auf Vischer herum, wirft ihm Sachen vor, die vielleicht stimmen, aber nichts mit dem Thema zu tun haben.

Wer nicht spätestens hier kopfschüttelnd aus dem Text aussteigt, wird «belohnt». Vogel unterstellt der BDS, was für ihn selber gilt, …

Wenn es jedoch um Israel geht, hört die Toleranz auf.

… findet dann aber endlich zum eigentlich spannenden Thema seines Kommentars: Soll man Israel für seine Politik boykottieren?

Darüber kann man selbstverständlich geteilter Meinung sein. Aber: Die Argumente, die Vogel für seine Position liefert, sind mehr als hanebüchen. Er schreibt:

Die israelische Politik gegenüber den Palästinensern ist tatsächlich fragwürdig. Und der forcierte Ausbau israelischer Siedlungen in den besetzten Gebieten, den namentlich die gegenwärtige Regierung des Rechtsnationalisten Benjamin Netanyahu betreibt, ist klar darauf angelegt, die Bildung eines funktionsfähigen Palästinenserstaates zu verhindern. Nur ändert sich mit einem Boykott gar nichts, im Gegenteil: Sollte er jemals wirksam werden, was bezweifelt werden darf, hätte er nur zur Folge, dass die israelische Gesellschaft noch enger zusammenrückte im Gefühl, die ganze Welt sei gegen sie.

Was will uns Vogel damit sagen? Dass sämtliche Boykotte falsch sind? War es falsch, Südafrika für seine Apartheid-Politik zu ächten? War es demzufolge richtig, dass Schweizer Banken (und viele andere) den Boykott jahrelang unterlaufen haben?

Weiter unten schreibt Vogel:

Man liest die BDS-Schrift mit anschwellendem Unbehagen durch. Während im Boykott-Aufruf stets von völkerrechtlich legitimierten Ansprüchen der Palästinenser die Rede ist – die zum Teil tatsächlich missachtet werden –, wird die Existenz Israels als «Pech» für Palästinenser bezeichnet, weil an ihr «nicht mehr zu rütteln» sei.

Was leider mehr als ungenau und völlig aus dem Zusammenhang zitiert ist. Im BDS-Faltblatt heisst es:

«Die PalästinenserInnen haben ein­fach Pech, an der Existenz Israels ist nicht mehr zu rütteln» – so der resignative Grundtenor angesichts eines scheinbar unlösbaren Kon­flikts. Nein, Menschenrechte und Völkerrecht müssen für alle gelten, und Israel muss wie jeder andere Staat für seine Politik zur Rechenschaft gezogen werden. (…)

Wer mit anschwellendem Unbehagen weiter liest, sieht zu schlechter Letzt die schlimmsten Befürchtungen bestätigt – Vogel greift zur Antisemitismus-Keule:

Und unterschwellig erwachen böse Erinnerungen an die Zeit, als in unserem Nachbarland Davidssterne auf Schaufenster jüdischer Geschäfte gemalt wurden und der Slogan: «Deutsche, kauft nicht bei Juden!»

Das ist definitiv unter der Gürtellinie, Herr Vogel! Kritik an Israel hat mit Antisemitismus nichts zu tun.

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