Zehn Geschichten zu 9/11:
10. Die Kommission – «set up to fail»

Aus Anlass des 10. Jahrestags der Terroranschläge vom 11. September 2001 lesen Sie hier zehn kurze Geschichten, die Sie in den Leitmedien nicht finden werden. Es sind zehn Geschichten, die zeigen, wieso eine neue, unabhängige 911-Untersuchung nötig ist. Es sind zehn Geschichten, deren Wahrheitsgehalt Sie in zehn Minuten prüfen können.

Geschichte Nummer 10: Die Kommission – «set up to fail»

Nach Naturkatastrophen, Politskandalen oder Terrorakten wird in den meisten zivilisierten Ländern dieser Welt eine (möglichst) unabhängige, parlamentarische Untersuchungskommission eingesetzt. Diesem selbstverständlichen Vorgang folgten kurz nach 9/11 auch diverse US-Senatoren und brachten eine Gesetzesvorlage zur Einsetzung einer 9/11-Kommission ins Parlament (1). Eine Formalität, sollte man meinen.

Weit gefehlt. Die Bush-Administration wehrte sich nach Kräften. Vizepräsident Dick Cheney nahm sich den demokratischen Parlamentsführer Tom Daschle zur Brust und sagte ihm, eine 9/11-Untersuchung wäre eine …

… very dangerous and time-consuming diversion for those of us who are on the front lines of our response today. We’ve got our hands full.

Cheney drohte Dasche gar damit, die Demokraten öffentlich der Unterwanderung des «war on terror» zu beschuldigen, sollten sie weiter auf einer Untersuchung bestehen (1, 2, 3, 4).

Hätten die Hinterbliebenen der Opfer in der Folge nicht grossen Druck gemacht (1), wäre 9/11 gänzlich ununtersucht in die Geschichte eingegangen. Nach einigem Hin und Her willigte George W. Bush schliesslich ein, eine beschränkte Untersuchung durchzuführen (1, 2, 3, 4). Ganze 16 Monate wollte man der Kommission zuerst gewähren – viel zu wenig (1, 2, 3). Erstes Budget: 3 Millionen Dollar – eine lächerliche Summe (1, 2), die schliesslich noch auf insgesamt 15 Millionen aufgestockt wurde (1). Zum Vergleich: Für die Wahrheitsfindung in Bill Clintons Lewinsky-Affäre waren rund 40 Millionen Dollar investiert worden.

Die «National Commission on Terrorist Attacks Upon the United States», wie die 9/11-Kommission schliesslich mit vollem Namen hiess, bestand aus fünf Republikanern und fünf Demokraten, alle (indirekt) ausgewählt von US-Präsident George W. Bush und Tom Daschle. Die Unabhängigkeit bzw. Abhängigkeit der Kommissionsmitglieder inklusive der beiden Leiter, Thomas H. Kean und Lee H. Hamilton, war deshalb von Anfang an ein Thema und ist dementsprechend gut dokumentiert (1, 2, 3, 4).

Die wichtigste Person des Teams war aber der sogenannte Executive Director, Philip D. Zelikow. Er – nicht Kean oder Hamilton – leitete die täglichen Arbeiten der Kommission. Er – nicht Kean oder Hamilton – bestimmte, wer zum «Staff» gehört, was untersucht wird, wer interviewt wird und was in den Bericht kommt. Er – nicht Kean oder Hamilton – schrieb den Bericht (1, 2, 3).

Wer also ist dieser Philip D. Zelikow, der die Kommission unabhängig hätte führen sollen? Erstens ist Zelikow ein guter Bekannter der damaligen US-Aussenministerin Condoleezza Rice, mit der er 1995 das Buch «Germany Unified and Europe Transformed: A Study in Statecraft» publiziert hatte. Und zweitens ist Zelikow jener Mann, der für die Bush-Administration 2002 die Doktrin der «präventiven Angriffskriege» formuliert hatte (1, 2, 3, 4, 5).

Die Ausgangslage war also denkbar schlecht, um das erklärte Ziel der Kommission – «to provide the fullest possible account of the events surrounding 9/11» – zu erreichen: viel zu kleines Budget, viel zu wenig Zeit, abhängige Kommissionsmitglieder und ein Executive Direktor mit engsten Verbindungen ins Weisse Haus.

Es überraschte deshalb die wenigsten, dass sich die Kommission von allem Anfang an schwer tat. Immer wieder wurde sie bei ihrer Arbeit behindert (unter vielen anderen 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15), immer wieder musste sie um Einsicht in wichtige Papiere kämpfen – selten mit, meist ohne Erfolg. Man tat sich so schwer, dass der Demokrat Max Cleland der New York Times zu Protokoll gab (1):

It’s obvious that the White House wants to run out the clock here. It’s Halloween, and we’re still in negotiations with some assistant White House counsel about getting these documents – it’s disgusting. (…) As each day goes by, we learn that this government knew a whole lot more about these terrorists before Sept. 11 than it has ever admitted.

Kurz darauf, im November 2003, trat Cleland aus der Kommission zurück. Salon.com sagte er (1):

I’m not going to be part of looking at information only partially. I’m not going to be part of just coming to quick conclusions. I’m not going to be part of political pressure to do this or not do that.
(…)
It is a national scandal.

Als der Bericht der 911-Kommission am 22. Juli 2004 erschien, hatten die meisten Medienleute schon wieder vergessen, wie sehr die Untersuchung blockiert und verfälscht worden war. Es gab haufenweise Lob für den Bericht, nur wenige kritisierten ihn (1, 2).

Immerhin, der Goodwill hielt bei vielen nicht allzu lange an. Dank Büchern wie «Omissions and Distortions», in dem David Ray Griffin Punkt für Punkt aufzeigt, wo und wie die 911-Kommission gelogen, Fakten zurechtgebogen oder schlicht weggelassen hatte, wurde die Kritik lauter und lauter.

Kean und Hamilton sahen sich schliesslich gezwungen, in die Offensive zu gehen. In ihrem 2006 erschienen Buch «Without precedent» (1, 2, 3, 4, 5, 6) rechtfertigten sie ihr Scheitern. Fazit (und Titel des ersten Kapitels): «Set up to fail. Approaching an impossible Task».

Die beiden Vorsitzenden gaben zu, auf Berichte aus dritter Hand angewiesen gewesen zu sein. Im Klartext: Alle wesentlichen Teile des Untersuchungsberichts beruhen auf über hundert Verhörprotokollen der CIA mit Gefangen, zu denen die Kommission keinen Zugang hatte (1). Über 200 Mal wird in Fussnoten des Berichts allein auf die unter Folter entstandenen Aussagen von Chalid Sheik Mohammed (siehe auch Geschichte Nummer 9) Bezug genommen. Kean und Hamilton stellten fest:

We had no way of evaluating the credibility of detainee information. (…)
How could we tell if someone such as Chalid Sheik Mohammed was telling us the truth? (…)
Where we could not, it was left to the reader to consider the credibility of the source – we had no opportunity to do so. (…)

Leider kann auch der Leser die Glaubwürdigkeit der Quellen nicht mehr überprüfen. Wie die New York Times 2007 berichtete, waren die Aufnahmen der Verhöre unrechtmässig vernichtet worden (1, 2). Was Thomas Kean alles andere als kalt lies (1, 2):

The C.I.A. certainly knew of our interest in getting all the information we could on the detainees, and they never indicated to us there were any videotapes. Did they obstruct our inquiry? The answer is clearly yes. Whether that amounts to a crime, others will have to judge.

Den vorläufigen Höhepunkt der Skandale rund um den Kommissionsbericht bildete 2008 das Buch «The Commission: The Uncensored History of the 9/11 Investigation» von New York Times-Autor Philip Shenon. Shenon legte dar, wie eng Philip D. Zelikow tatsächlich mit dem Weissen Haus zusammengearbeitet hatte. Er zeigte auf, dass es einzig und allein darum gegangen war, niemanden zu beschuldigen (1, 2, 3, 4, 5, 6). Und: Shenon enthüllte, dass Zelikow den Inhalt des Berichts schon fertig skizziert gehabt hatte (Kapitel, Unterkapitel, bis hin zu den Zwischentiteln), bevor die Kommissionsmitglieder überhaupt mit ihrer «unabhängigen, vollständigen» 9/11-Untersuchung begannen … (1)

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