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Hugs Staatsbashing
schadet der Demokratie
Im Nachgang zur Breitseite der Berner Zeitung gegen den Kanton Bern rund um die Steuerabstimmungen vom vorletzten Wochenende stellen sich meines Erachtens vor allem zwei Fragen. Erstens: Was treibt Medien wie die BZ dazu, derart aggressiv und undifferenziert gegen den Staat anzuschreiben? Zweitens: Richten die Journalisten damit ernsthaften Schaden an?
Erstens: Im Fall von BZ-Chefredaktor Michael Hug dürfte der Fall relativ einfach sein. Er überträgt seine politische Haltung eins zu eins ins Blatt. Ihm eine längerfristige, staatszersetzende Strategie zu unterstellen (wie sie z.B. die Republikaner in den USA betreiben), würde wohl zu weit gehen. Dafür ist Hugs Bashing zu plump – wer Stammtischtöne klopft, muss sich nicht wundern, wenn man ihn genau da sitzen lässt.
Bloss: Wie kommt Hug mit seiner Schreibe in der eigenen Zeitung durch? Erntet er Kritik? Oder denkt der Grossteil der BZ-Leute wie Hug? Was sagen die Ressortleiter von Stadt und Kanton, was sagt Zeitpunkt-Redaktor Stefan von Bergen, ein Kenner des Kantons Bern, zu den Breitseiten des Chefs? – Sie sind schliesslich diejenigen, die den Politikern, die laut Hug «ausgeklügelte Strategien entwickelt haben, um ihren Wählern das Geld aus der Tasche zu ziehen», im realen Leben wieder unter die Augen treten müssen.
Laut diversen BZ-Journalisten hat es intern kaum Diskussionen abgesetzt. Was doch eher erstaunlich ist. Der Aussenstehende fragt sich, was in einer Redaktionsstube schief läuft, wenn selbst solche Themen nicht mehr heiss debattiert werden.
Umso erstaunlicher ist das Staatsbashing für jeden, der einen Blick über die Grenze tut. Fakt ist, dass wir hierzulande, auch im Kanton Bern, im Vergleich mit dem benachbarten Ausland sehr wenig Steuern zahlen. Klar, die Daten sind mit Vorsicht zu geniessen, weil die Menge der erbrachten Leistungen auf den ersten Blick in den Zahlen nicht ersichtlich ist. Trotzdem, Schweizerinnen und Schweizer zahlen wenig Steuern (1, 2). Und erhalten dafür eine Gegenleistung, die unübertroffen ist. Mit anderen Worten: Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist relativ gut.
Kann es also das Ziel vernünftiger Journalisten sein, den Berner Staat als unterjochenden Moloch in den Köpfen der Leute zu verankern? Kaum. Vielleicht bin ich naiv, aber ich tue mich schwer damit, hinter den Texten in der Berner Zeitung – und auch einigen Texten im Bund – eine Strategie zu sehen. Grundsätzlich ist es für Journalisten wohl schlicht einfacher, dem eigenen diffusen Frust bezüglich Staat und Steuern nachzugeben – und damit den Nerv der Leute zu treffen –, als differenziert aufzuzeigen, was der Staat bringt, was wie viel kostet, wieso es hier besser läuft als anderswo, wo man tatsächlich sparen könnte, was längerfristig passiert, wenn wir weiter abbauen. Zudem kann negatives Denken zu einer Art Selbstläufer werden. Wer sich versteift, sieht vor lauter Steuern die Gegenleistung nicht mehr.
Zweitens: Ja, die Berner Zeitung richtet ernsthaften Schaden an. Der Normalbürger bezieht seine Informationen bezüglich Staat und Steuern praktisch ausschliesslich aus den Medien. Das heisst, Journalisten haben mit ihren Kommentaren und Analysen beträchtlichen Einfluss darauf, wie der Bürger den Staat wahrnimmt.
Im Fall der BZ und ihrer Leser verhält es sich ähnlich wie bei der SVP und ihren Wählern: Gutverdienende schreiben für solche, die in einer anderen Welt leben. Mit gehässigem Anti-Staat-Gedröhne wird in den Köpfen dieser Leute ein Bild geprägt, das eine Gefahr für ein demokratisches, soziales Land wie das unsere werden kann. Wer sich betrogen fühlt, wird kaum bereit sein, solidarisch zu denken und ernsthaft am Gebilde Staat mitzuarbeiten.
Klar: Das braucht Gutverdienende nicht zu kümmern, wenigstens auf den ersten Blick. Sie können sich einen armen Staat leisten, sie können sich schlechte öffentliche Schulen, schlechte öffentliche Spitäler, schlechte ÖV-Verbindungen usw. leisten. Aber: Auch Gutverdienende können es sich im Prinzip nicht leisten, dass die Ärmsten ärmer werden. Wo es hinführt, wenn die Armen zu arm sind, kann vielerorts beobachtet werden: erhöhte Kriminalität, Zäune um die Wohnquartiere der Bessergestellten, Aufstände, Sicherheitsdienste hüben und drüben.
Davon sind wir zum Glück noch weit entfernt. Und wir sollten alles dafür tun, dass es so bleibt.