Lügen, betrügen,
vertuschen, wegschauen

Für Hugo Rey ist der rechtliche Weg im Kampf gegen die Credit Suisse abgeschlossen. Es ist das Ende eines Trauerspiels, die Geschichte des totalen Versagens helvetischer Kontrollinstanzen im Konkursfall Lehman Brothers.

Überall, wo gewirtschaftet und Geld verdient wird, brechen einige die Regeln. Es wird immer wieder Fälle geben wie jenen der Credit Suisse, die ihre Kunden mit faulen Lehman-Papieren betrogen hat. Das ist unschön, aber halb so schlimm, wenn die Kontrollinstanzen eines Landes – Aufsichts- und Justizbehörden, parlamentarische Kommissionen, Medien – korrigierend eingreifen. Die Qualität dieser Kontrollinstanzen – sind sie unabhängig, sind sie ausgewogen besetzt, urteilen sie nach bestem Wissen und Gewissen, verfügen sie über die nötigen Ressourcen? – ist ein guter Gradmesser für den Zustand eines demokratischen Landes.

Im vorliegenden Fall, dem Konkurs der US-Investmentbank Lehman Brothers und seiner Auswirkungen in der Schweiz, wäre es Aufgabe von Finma, Gerichten, Politik und Medien gewesen, die Betrügereien aufzudecken und hierzulande für so etwas wie Gerechtigkeit zu sorgen. Passiert ist das Gegenteil: Finma und Justizbehörden haben sich gröbster Vergehen schuldig gemacht, Politik und Medien (in ihrer Mehrheit) haben geflissentlich weggeschaut.

Fassen wir kurz zusammen, was in den fünf Jahren seit dem Lehman Brothers-Konkurs seitens helvetischer Kontrollinstanzen alles verbrochen worden ist.

Die Finma lügt

Dank einem Artikel im «Sonntag» vom 8. Oktober 2011 wissen wir, dass die Finma ihren Bericht zum Umgang der Credit Suisse mit dem Lehman-Brothers-Konkurs massiv geschönt hat. Die Diskrepanzen zwischen einem internen Bericht aus dem Jahr 2009 und dem öffentlichen Bericht aus dem Jahr 2010 sind so gross, dass eigentlich nur von Betrug die Rede sein kann. Die Wahrheit wurde zugunsten der CS ins Gegenteil verkehrt.

Wie wichtig der Finma-Bericht ist, hat sich in diversen Rechtshändeln zwischen Kleinanlegern und der CS gezeigt. Immer wieder wurde von Seiten der CS auf den Finma-Bericht und die darin «bewiesene» Unschuld der CS verwiesen. Hätte die Finma die Wahrheit veröffentlicht, wären wohl diverse Entscheide gegenteilig ausgefallen. Hätte die Finma keinen Bericht veröffentlicht, wäre es Sache der zuständigen Gerichte gewesen, die Lage von Grund auf zu beurteilen.

Mehr:

Die Justiz betrügt

Vor dem Gesetz sind alle gleich, sollte man meinen. Der Fall Hugo Rey versus Credit Suisse hat (einmal mehr) das Gegenteil bewiesen. Mit Nachdruck. Das Berner Handelsgericht liess entscheidende Unterlagen verschwinden, untermauerte mit falschen Papieren die Unschuld der CS und wies damit Hugo Reys Klage in einer Art Schauprozess ab.

So weit, so schlecht. Noch schlimmer: Das Bundesgericht stützte das skandalöse, offensichtlich falsche Urteil des Berner Handelsgerichts in allen Punkten.

Mehr:

Die Politik vertuscht

Aufsichtsbehörden wie die Finma und Gerichte wie das Berner Handelsgericht unterstehen parlamentarischer Kontrolle. Parlamentarische Kommissionen (eidgenössisch und kantonal) hätten also dafür sorgen können, dass die groben Verfehlungen von Finma und Handelsgericht korrigiert oder zumindest geahndet werden. Passiert ist das Gegenteil: Selbst offensichtliche Fehler sind politisch abgesegnet worden.

Mehr:

Die Medien schauen weg

Alle oben genannten Instanzen sollten letztlich von der vierten Macht im Staat, den Medien, kritisch begleitet werden. Was sie bewirken können, haben sie immer wieder nachdrücklich bewiesen, zuletzt im Fall Hildebrand. Nur: Von wenigen löblichen Ausnahmen (1, 2) abgesehen, hat sich schlicht niemand für die Vorgänge bei CS, Finma und Handelsgericht interessiert. Im Gegenteil: Beobachter, WOZ, Berner Zeitung und andere haben mitgeteilt, der Fall sei ihnen zu kompliziert …

Eine gelinde gesagt merkwürdige Rolle spielte der «Sonntag». Ihm wurde der interne Finma-Bericht zugespielt, er hätte es in der Hand gehabt, die Finma anzugreifen und für den nötigen Wirbel zu sorgen. Nichts dergleichen ist geschehen. Mit gross aufgezogenen, aber harmlosen Texten, die (bewusst?) am Thema vorbeigeschrieben sind, wurde die Geschichte beerdigt.

Mehr:

Rechtsstaat?

Es ist kein Geheimnis: Die Schweiz hat ein Bankenproblem. Wie gross es tatsächlich ist, hat der Fall Lehman Brothers einmal mehr in aller Deutlichkeit gezeigt. Eigentlich, so muss man sagen, hat ein Rechtsstaat, in dem Aufsichtsbehörden Berichte verdrehen, in dem Gerichte mit falschen Papieren operieren, in dem parlamentarische Kommissionen die Fehler von Justiz und Aufsichtsbehörden decken, diesen Namen nicht verdient. Wenn sich dann auch noch die Medien als mehrheitlich zahnlos und überfordert erweisen, ist guter Rat teuer.

Jüngstes und wohl bestes Beispiel für den abstrusen Umgang mit Banken in diesem Land ist das Thema Retrozessionen. Selbst der Entscheid des Bundesgerichts, dass Retrozessionen dem Kunden und nicht der Bank gehören, nützt so gut wie nichts (1, 2, 3, 4). Die grosse Mehrheit der Banken belügt ihre Kunden weiterhin und betrügt sie mit Hinhaltetaktiken um sehr viel Geld – ohne dafür mit Konsequenzen rechnen zu müssen.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Banken, Justiz, Medien, Medienkritik, Politik. Bookmarken: Permanent-Link. Kommentieren oder ein Trackback hinterlassen: Trackback-URL.

Ein Kommentar