Frank A. Meyer ist für mich so etwas wie das Gewissen des gutbürgerlichen Schweizer Mainstreamjournalismus. Keiner prangert Ungerechtigkeit und Verlogenheit so schonungslos an wie er, man spürt, wie sehr ihm eine offene, soziale Schweiz am Herzen liegt. Meyers Texte sind in ihrer grossen Mehrheit überzeugend, klug und weitsichtig.
Geht es allerdings um den Nahost-Konflikt, sind Meyers Tugenden wie weggeblasen. Die Einseitigkeit seiner Pro-Israel-Texte ist erschreckend (z.B. 1, 2). Auch jetzt hat er wieder in die Tasten gegriffen. Herausgekommen ist «Die Wunde», ein Stück, das jeden Faktencheck, jede Objektivität, jeden Perspektivenwechsel, jedes Mitgefühl vermissen lässt.
Meyer schreibt:
Ja – dieser Krieg bringt keine Lösung, er macht nur ein weiteres Mal auf schreckliche Weise deutlich, dass Krieg nicht zu Lösungen führen kann.
Ja – dieser Krieg bringt keine Lösung, er macht nur ein weiteres Mal auf schreckliche Weise bewusst, dass man Kriege führt, weil man keine Lösung will.
Ja – dieser Krieg kostet Opfer, er tötet unschuldige Menschen in ihren Häusern, auf ihren Strassen, in ihren Schulen, auf ihren Märkten.
Ja – dieser Krieg kostet Opfer, er tötet – vor allem – unschuldige Palästinenser in ihren Häusern, auf ihren Strassen, in ihren Schulen, auf ihren Märkten.
Doch soll Israel deshalb ohne Gegenwehr Tausende Raketen auf seine Städte und Dörfer niederregnen lassen, abgefeuert aus einem Territorium namens Gaza, von einer dort regierenden Terrororganisation namens Hamas – ja?
Doch sollen Palästinenser zulassen, dass sie seit Jahren von der Aussenwelt abgeschnitten werden, dass ihnen jede Entwicklung untersagt wird, dass der israelische Siedlungsbau ihnen ihr Land mehr und mehr wegnimmt – ja?
Was wäre mit uns Schweizern, lägen Zürich und Bern und Genf unter Raketenbeschuss durch islamistische Terroristen? Israelis wären wir!
Was wäre mit uns Schweizern, lägen Zürich und Bern und Genf in Gaza, würden wir mit allen Mitteln an einem menschenwürdigen Leben gehindert? Palästinenser wären wir!
Seit es Israel gibt, seit mehr als 65 Jahren also, ist es in seiner Existenz bedroht. Durch eine politisch-religiöse Umwelt, die dem jüdischen Staat und seinen Bürgern nach dem Leben trachtet, mit allen Mitteln, Tag und Nacht. Unerbittlich.
Seit es Israel gibt, seit mehr als 65 Jahren also, ist Palästina in seiner Existenz bedroht. Durch einen politisch-religiösen Staat, der sein Territorium vergrössert, mit allen Mitteln, Tag und Nacht. Unerbittlich.
Richtig, Israel ist dieser hassgeladenen Umwelt überlegen, in jeder Hinsicht. Es zählt zu den wissenschaftlich, technisch und wirtschaftlich leistungsfähigsten Nationen der Welt.
Richtig, Palästina ist diesem hassgeladenen Staat unterlegen, in jeder Hinsicht. Es zählt zu den wissenschaftlich, technisch und wirtschaftlich zurückgebliebenen Gebieten der Welt.
Vor allem ist Israel die nahezu grenzenlos überlegene Militärmacht des Nahen Ostens. Wäre dies anders, es gäbe den kleinen jüdischen Staat längst nicht mehr.
Vor allem ist Palästina die nahezu grenzenlos unterlegene Militärmacht des Nahen Ostens. Gäbe es nicht die UNO und ihre Aufforderungen an Israel, in den Grenzen von 1967 zu bleiben (siehe u.a. UNO-Resolutionen 242, 338, 1397, sämtliche Resolutionen hier), Palästina gäbe es schon längst nicht mehr.
Jeden Tag füttern die Medien ihre entsetzten Konsumenten mit Berichten und Bildern, die das Unrecht der israelischen Militärmaschinerie illustrieren sollen.
Jeden Tag füttern die Medien ihre entsetzten Konsumenten mit Kommentaren, die illustrieren sollen, wie gerecht der Krieg der Israelis ist.
Was von den Medien nicht mitgeliefert wird, sind die Bilder der wirklichen Täter: die Führer der Hamas, die ihre Raketenstellungen und ihre Kommandobunker, überhaupt ihre gesamte militärische Infrastruktur mit perverser Absicht mitten in den eng besiedelten Wohnquartieren errichtet haben.
Was von Kommentatoren wie Frank A. Meyer nicht mitgeliefert wird, sind wirkliche Fakten zu einer jahrzehntelangen Kriegsgeschichte, sind die offensichtlichen Gründe für die neuerliche Eskalation (unter vielen anderen: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7).
Eine Schande, dass diese Kriminellen in Europa immer noch Verbündete finden, nicht zuletzt in einem linken Milieu, das den muslimischen Migranten nach dem Munde redet und deren Manifestationen unterstützt: Ein aberwitziger Propagandafeldzug für einen Gottesstaat, der seine Bürger brutal unterjocht, die Frauen rechtlos hält, jede kritische Regung mit Folter und Mord erstickt.
Eine Schande, dass dieser kriminelle, gottesfürchtige Staat in Europa und in den USA immer noch Verbündete findet, nicht zuletzt in Journalistenkreisen, die den unrechtmässigen Besetzern von palästinensischem Boden nach dem Mund reden. Ein aberwitziger Propagandafeldzug für einen Aggressionsstaat, der seine Interessen ohne Rücksicht vertritt, jede Entwicklungsmöglichkeit in Palästina erstickt und den Hass bewusst schürt.
Genau das ist das Kalkül der arabischen Welt: Israel, die erfolgreiche Zivilisation, die westliche Provokation der gescheiterten, der frustrierten nahöstlichen Welt, soll auch fürderhin sein, was es seit seinem Anbeginn ist: die offene Wunde der Welt.
Genau das ist das Kalkül Israels und seiner Verbündeten: Palästina, die unterdrückte Nation, soll auch weiterhin ihren Frust mit Gewalt bewältigen, damit Israel «gerecht» zurückschlagen kann. Denn der Nahe Osten soll bleiben, was er seit Jahren ist: Ein Paradies für die Waffenlobby, eine offene Wunde, mit der man den lukrativen Kampf der Kulturen am Leben erhalten kann.
Unerträglich einseitig
Israel ist Frank A. Meyers blinder Fleck. Seine jüngste Brandrede ist frei von Fakten und unerträglich einseitig. Sein Islam-Hass ist offensichtlich, seine Verklärung Israels als Hort der Demokratie und Gerechtigkeit inmitten von Barbaren schlicht lächerlich.
Wo ist Meyers Gerechtigkeitssinn geblieben, wo sein Mitgefühl für die Schwächeren? Nichts rechtfertig den Beschuss von Häusern, in denen unschuldige Zivilisten getroffen werden, nichts rechtfertigt den Tod von Kindern. Weder auf der einen, noch auf der anderen Seite.
Meyer würde ein Perspektivenwechsel gut tun – genau wie allen anderen Extremisten in Sachen Israel-Palästina, egal, für wen sie sich stark machen. Denn, Hand aufs Herz Herr Meyer: Wären Sie nicht längst radikal geworden, wenn Sie ein Bewohner des Gaza-Streifens wären?
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