«Ist es so erstaunlich?»

Zwei lesenswerte Texte zum Nahost-Konflikt, von Rolf Verleger in der Frankfurter Rundschau und von Claudia Kühner im Tages-Anzeiger.

Rolf Verleger, langjähriges Mitglied im Direktorium des Zentralrats der Juden in Deutschland, schreibt in der Frankfurter Rundschau:

Seit 2005 ist Gaza ein großes Gefängnis; Israel hat es verriegelt, Ägypten bewacht den Hinterausgang. Israel erlaubt Ein- und Ausfuhren nur insoweit, dass niemand verhungert. Boote dürfen nur bis drei Meilen vor die Küste fahren, den EU-finanzierten Flughafen hat Israel zerbombt. Das hat die bescheidene Industrie und Landwirtschaft ruiniert. Womit sollen sich also die Einwohner beschäftigen? Ist es so erstaunlich, dass sie Tunnel bauen, um die Gefängnismauern zu durchlöchern? Ist es so erstaunlich, dass sie versuchen, ihren Gefängniswärtern zu schaden?

Und:

Vor kurzem sind die Friedensverhandlungen von US-Außenminister John Kerry gescheitert. Dafür verantwortlich war laut Kerry Israel, weil es fortgesetzt Land im Westjordanland annektierte («Siedlungsbau») und die Zusage nicht einhielt, Gefangene freizulassen. Daraufhin bildeten die zerstrittenen Parteien Fatah und Hamas eine Einheitsregierung. Dies wurde von EU und USA begrüßt, aber Israels Premier Benjamin Netanjahu erklärte, dies nicht zu dulden. Er benutzte die bis heute unaufgeklärte Ermordung dreier Siedler-Jugendlicher, um Hunderte Hamas-Mitglieder zu verhaften; mehrere Palästinenser wurden vor und nach diesen Morden von Israels Polizei und Armee umgebracht. Ist es so erstaunlich, dass die Hamas dann wieder begann, ihre Rohrgeschosse und Raketen abzufeuern?

Claudia Kühner schreibt im Tagesanzeiger:

Nach der Entführung der drei jüdischen Teenager in der Westbank wurden Hamas-Leute (ohne Beweis für ihre Tatbeteiligung) förmlich gejagt und zu Hunderten festgenommen. Die Antwort waren Raketen aus dem Gazastreifen. So weit der Grund für diesen Krieg, aber nicht die Ursache: Die Regierung in Jerusalem hat keinen politischen Plan, der Frieden brächte und damit die ersehnte Sicherheit. Das geht nicht ohne palästinensische Unabhängigkeit, doch die will diese Koalition nicht. Netanyahu hat deutlich gemacht, dass er eine volle Souveränität der Palästinenser niemals zulassen würde. Stattdessen wird das Besatzungs- und Siedlungsprojekt mit Macht vorangetrieben.

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