Arthur Rutishauser: wirres Blabla

Arthur Rutishauser ist ein Chefredaktor, der seine Meinung regelmässig kundtut. Jeden Sonntag lesen wir in der SonntagsZeitung einen Einspalter zur Aktualität.

Das ist grundsätzlich zu begrüssen. Kommentierende Chefredaktoren gehören leider einer aussterbenden Spezies an. Nur: Rutishausers Texte wirken meist schluddrig, strukturlos und wirr (1) – hingeworfene Gedankenfetzen ohne Zusammenhang.

So auch am letzten Sonntag. Unter dem Titel «Meister der Ignoranz» liefert uns Rutishauser ein unsägliches Blabla zum Thema IS und Kobane.

Der Einstieg ist happig:

Wieder einmal ist es so weit, nach Ruanda, Vukovar und Srebrenica. Wir schauen zu, wie sich ein Massaker ankündigt.

Zur Erinnerung: In Ruanda wurden rund 1 Million Menschen getötet. Der Vergleich ist also, wenn wir ihn rein auf die Taten des IS beziehen, mehr als offensiv. Zudem ist der Massenmord im Irak längst passiert, seit dem Einmarsch der USA 2003 sind Schätzungen zufolge mehr als eine halbe Million Menschen gestorben.

Wen meint Rutishauser mit «wir»? Uns Normalbürger, die beim besten Willen nicht viel tun konnten gegen die Tötungen in Ruanda oder Srebrenica? Oder sich selbst, den Journalisten, der Klartext schreiben und als Chefredaktor mit seiner Zeitung Einfluss auf die hiesige Politik ausüben könnte?

Keine Ahnung. Immerhin: Wer nach dem Einstieg befürchtet hat, dass eine Brandrede zugunsten der US-Luftangriffe folgt, sieht sich getäuscht. Rutishauser schreibt:

Wir lassen in den Zeitungen kluge Kommentare darüber schreiben, dass die Amerikaner eingreifen müssten und Barack Obama zu zögerlich sei, um die Welt zu führen. Als wäre dies, fast 70 Jahre nach dem 2. Weltkrieg, noch immer in jeder Krise, die in der Welt stattfindet, nötig. Unsere Politiker wirken wie ein Haufen Aktivisten, die jetzt merken, dass es Jihadisten gab, die von der Schweiz aus in den Krieg zogen, um den IS zu unterstützen. Nun fordern sie Massnahmen bis zum Passentzug, und in ein paar Monaten werden sie merken, dass sie damit jene Kurden treffen, die ihre Landsleute unterstützen wollen und eigentlich zu den Guten zählen. Denn nicht wenige von ihnen haben den Schweizer Pass.

Was die (berechtigte) Kritik an den Kommentaren pro US-Luftschläge mit dem Thema Passentzug zu tun hat, bleibt ein Rätsel. Ebenso bleibt ein Rätsel, wie mit ein paar Schweizer Pässen in Kobane ein Massaker verhindert werden könnte. Zudem: Gerade Rutishauser hätte ja die Möglichkeit, in seiner Zeitung wirklich kluge Kommentare zu publizieren.

Dann verliert Rutishauser den Faden komplett:

Bis ins 19. Jahrhundert verdienten viele Schweizer Männer ihr Brot als Krieger in fremden Diensten. Der junge Bundesstaat schränkte 1848 den Militärdienst für fremde Mächte ein und verbot ihn schliesslich ganz. Moderne Schweizer Reisläufer, die aus politischer Überzeugung an Kriegen teilnahmen, beispielsweise am Amerikanischen Sezessionskrieg (1861–1865), am Spanischen Bürgerkrieg (1936–1939) oder am 2. Weltkrieg (1939–1945) auf der Seite Deutschlands wurden bestraft, wenn sie erwischt wurden. Das war manchmal hart, im Einzelfall sogar ungerecht, aber für die Schweiz sicher nicht schlecht.

Interessant. Aber was soll das? Sollen wir als Söldner zum Kampf gegen den IS antreten?

Damit kein Missverständnis entsteht: Es soll hier nicht zum Kriegsdienst der Kurden in ihrer Heimat aufgerufen werden.

Uff, da haben wir und die Kurden in der Schweiz noch einmal Glück gehabt. Aber was wollen Sie uns denn eigentlich sagen, Herr Rutishauser?

Aber mehr tun könnte die Schweiz schon. Hat man denn von unserem Bundespräsidenten, Didier Burkhalter, der sich im Ukraine-Konflikt als OECD-Präsident gern mit den Mächtigen dieser Welt ablichten liess, je gehört, dass er den türkischen Präsidenten Erdogan dazu aufforderte, wenigstens die Kurden durchzulassen, die ihr Heimatland verteidigen wollen, genauso wie er es mit den Gotteskriegern gemacht hat?

Tatsächlich: Würde Burkhalter dieses eine Statement von sich geben, wäre ein Riesenschritt zur Verhinderung eines Massakers getan … Im Ernst: Burkhalter hat als OECD-Präsident gemacht, was seine Aufgabe ist: Mächtige treffen, an die Vernunft appellieren und verhandeln. Ihm vorzuwerfen, dass es dabei Bilder gegeben hat, ist schlicht billig – insbesondere für einen Medienmann.

Aber halt: Rutishauser sieht noch mehr helvetisches Massaker-Verhinderungs-Potenzial:

Hat man je gehört, dass es nicht im Sinn unseres Landes sein kann, wenn man Waffenexporte in die Golfstaaten zulässt, die bei den islamistischen Extremisten landen? Hat man gehört, dass sich die Politik in Bern darüber unterhalten hätte, ob es Sinn ergibt, dass wir als Rohstoffdrehscheibe den Boykott von kurdischen Ölexporten durchsetzen und gleichzeitig alle wissen, dass der IS sich vor allem über das schwarze Gold finanziert?

Ja, Herr Rutishauser, wer wollte, konnte das hören. Immer und immer wieder. Nur sind die politischen Verhältnisse in diesem Land andere. Nur sind in diesem Land, wie überall auf der Welt, wirtschaftliche Interessen wichtiger als alles Andere.

Inzwischen sind wir fast am Ende von Rutishausers Text angekommen. Was die Gesellschaft tun kann, um sich nicht des Zuschauens bei Massakern schuldig zu machen, haben wir nicht erfahren. Denn dort, wo Rutishauser Potenzial sieht, geht es um Burkhalter, unsere Politiker, die Politik in Bern. Kein Wort von uns, kein Wort zur Rolle der Medien.

Wie zu erwarten war, beendet Rutishauser sein Blabla mit Blabla:

Ist es denn wirklich zwingend, dass wir ausser Meistern im Zuschauen auch noch zu Meistern der Ignoranz werden?

Grösserer Nonsense zu einem so wichtigen Thema dürfte schwierig zu finden sein.

Wieso machen Sie mit Ihrer Zeitung nicht den ersten Schritt, Herr Rutishauser? Wieso schreiben Sie nicht kluge und verständliche Kommentare, die dem Leser ebenso wie dem Politiker Orientierungshilfe bieten und ihn zum Nachdenken und Handeln anregen? – Das wäre Ihr Beitrag gegen die Ignoranz.

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