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Drahtzieher im Fall Geri Müller:
Chat-Protokolle legen ihre Winkelzüge offen
Seit Mitte Dezember bin ich im Besitz der Extraktionsberichte des Handys von Geri Müllers Chat-Partnerin. Offenbar sind die Protokolle breit gestreut worden. «SonntagsZeitung» und «Tagesanzeiger» haben bereits berichtet.
Die Medientexte geben mehr oder weniger das wieder, was auch ich in den Protokollen sehe: Geri Müllers Chat-Partnerin (nachfolgend CP genannt) ist Täterin und Opfer zugleich, PR-Berater Sascha Wigdorovits und Rechtsanwalt Josef Bollag hatten grossen Einfluss auf das Vorgehen CPs, Josef Bollag unterstützte sie sogar mit 2000 Franken. «Das Komplott», der Titel, den Catherine Boss über ihre Geschichte in der «SonntagsZeitung» setzte, ist treffend.
Das ist aber nicht alles. Wichtige Rollen spielten auch
Deshalb lohnt sich meines Erachtens ein weiterer Blick in die Protokolle. Ich habe meine Analyse in fünf Kapitel aufgeteilt:
1. Die Chat-Partnerin: verwirrt
Geri Müllers Chat-Partnerin ist als ehemalige Lokalreporterin und Gerichtsberichterstatterin nicht unerfahren im Umgang mit Medien. Die erste Frage, die ich deshalb bei der Durchsicht der Chat-Protokolle zu klären versuchte: Weshalb ging CP mit ihren Daten nicht direkt zur Presse, weshalb wählte sie den komplizierten und riskanten Weg über Mittelsmänner?
Dafür gibt es meines Erachtens zwei Gründe. Den ersten hat Philipp Gut in der Weltwoche auf den Punkt gebracht:
Eine Machtposition, die in CPs Wahrnehmung durch den Einbezug von Geri Müllers wichtigsten politischen Gegnern – Sascha Wigdorovits und Josef Bollag – noch verstärkt wurde.
Der zweite Grund dürfte CPs bisweilen abgrundtiefer Hass gegen Geri Müller gewesen sein. Das heisst, in ihren schwierigsten Momenten wollte sie sicher sein, grösstmöglichen Schaden anzurichten. Auch das ging am einfachsten via Geri Müllers «Feinde».
Wie schlimm es um die Frau phasenweise stand, zeigt eine Nachricht, die CP an Geri Müller geschrieben hatte und am 9.6.2014 an Josef Bollag weiterleitete:
Drastische Worte, an einen Mann gerichtet, in den CP nach eigenen Angaben «ein bisschen verliebt» gewesen war. Will heissen: Aus einer Frau, die sich an Geri Müllers Ansichten zum Nah-Ost-Konflikt offenbar nicht heftig gestört hatte, war innert kürzester Zeit eine Frau geworden, die diese Ansichten zutiefst verabscheute.
Wie ist dieser Wandel, die extreme Reaktion CPs, zu erklären? Philipp Gut stellt fest:
Ich will mich hier nicht als Psychologe hervortun, aber die Protokolle bestätigen Guts Einschätzung. CP war – wenigstens in der Zeit, die in den Protokollen abgebildet ist – nicht bei klarem Verstand. Ihre Ambivalenz, ihre Verwirrtheit, schlägt dem Leser aus vielen ihrer Textnachrichten entgegen. Oft kommen in einem einzigen Abschnitt alle ihre Gesichter zum Ausdruck. Als Beispiel eine Nachricht, die CP am 12.8.2014 an Philipp Gut schrieb:
Es geht mir mit diesen Zitaten nicht darum, CP blosszustellen, sondern darum, ein Bild der Ausgangslage zu zeichnen: CPs schriftliche Kommunikation mit Sascha Wigdorovits, Josef Bollag, René Lüchinger und Phillipe Gut war ein Wechselbad der Gefühle. Rachegelüste gegen Geri Müller schlugen in Mitleid um, auf Selbstmitleid folgte Zielstrebigkeit und sogleich wieder Verwirrtheit. Manchmal im Minutentakt.
CP war während ihrer ganzen Kommunikation mit Helfern und Medienvertretern stark manipulierbar. Wie die Kapitel 2 bis 5 zeigen, haben sich die Herren Wigdorovits, Bollag, Lüchinger und Gut diesen Zustand zu nutzen gemacht. Sie haben Geri Müller in ein denkbar schlechtes Licht gestellt (gilt nicht für Lüchinger und Gut), sie haben CP mehrfach davon abgehalten, den Rachefeldzug gegen Geri Müller aufzugeben (gilt für alle).
Dabei hätten sie genau das Gegenteil tun müssen. Im Klartext: Eine Person, die sich bei mir in einer derartigen psychischen Verfassung mit einer derartigen Geschichte meldet, schicke ich zum Arzt, nicht auf die Titelseite einer Zeitung. Deshalb sind Sascha Wigdorovits, Josef Bollag, René Lüchinger und Philipp Gut schuldig – zumindest moralisch. Sie alle haben eine zutiefst verunsicherte Frau rücksichtlos instrumentalisiert – für ihre politischen Ziele, für einen sensationellen Primeur. Kein schönes Bild.
2. Sascha Wigdorovits: berechnend
Sascha Wigdorovits schriftlicher Dialog mit CP war einerseits geprägt von Zurückhaltung. Er betonte immer wieder, dass er nicht in die Geschichte hineingezogen werden wolle. Der gewiefte Taktiker wusste nur zu genau, wie es aussehen würde, wenn er, der Israel-Lobbyist und erklärte Geri-Müller-Gegner, als Drahtzieher auffliegen würde. Zudem war er sich der straf- und zivilrechtlichen Problematik einer Veröffentlichung des Materials bewusst. So machte er CP z.B. auf die rechtlichen Folgen heimlich aufgenommener Gespräche aufmerksam.
Andererseits konnte Wigdorovits der Verlockung, die das Material bot, wohl nicht widerstehen. Jedenfalls nahm er immer wieder starken Einfluss auf den Verlauf von Gerigate, mindestens drei Mal kamen wichtige Impulse von ihm.
Im Zusammenhang mit der finanziellen Unterstützung, die Josef Bollag CP gewährte, fallen im Chat-Verkehr zwischen Wigdorovits und CP zwei Ausschnitte auf. Am 28.7.2014 schrieb Wigdorovits an CP:
Eine Aussage, auf die CP vorerst nicht reagierte. Zwei Wochen später, am 10.8.2014, fragte sie:
Wigdorovits Antwort:
Ich habe leider nicht herausgefunden, um was es sich bei «Etwas» handelte. Möglich, dass es um den Kontakt zu Patrik Müller ging. Das ergibt aber insofern wenig Sinn, als am 10.8.2014 die Publikation der Affäre in «Weltwoche» und «Blick» so gut wie sicher, ein neuer Kontakt deshalb unnötig war. Vielleicht ging es also um etwas ganz anderes, z.B. um die Vermittlung eines Jobs, vielleicht auch um Geld. Jedenfalls dürfte dieses «Etwas» in einem Rechtsverfahren zur Sprache kommen.
Sascha Wigdorovits hat in der Affäre Geri Müller ein Gesicht gezeigt, das frösteln lässt. In seinen Textnachrichten an CP schwingt keine Spur von Mitgefühl mit, er ist kalt und berechnend. Als sich CP in der Nacht vom 13. auf den 14.8.2014 aus dem Spital von Baden verzweifelt bei ihm meldete, reagierte er grob. Er liess CP rapportieren, unterbrach sie höchstens für Mitteilungen à la:
Auch im Nachgang zur Publikation der Affäre in der «Schweiz am Sonntag» hinterliess Wigdorovits einen gelinde gesagt unangenehmen Eindruck. Als durchzusickern begann, dass er selbst die Fäden gezogen hatte, scheute er sich nicht, Journalisten bezüglich seiner Rolle so lange zu belügen, bis es nicht mehr anders ging. Kein schönes Bild.
3. Josef Bollag: manipulativ
Josef Bollag hat sich nach den Artikeln in «SonntagsZeitung» und «Tagesanzeiger» kürzlich erneut zu Wort gemeldet. Er hat zwar die Zahlung von 2000 Franken an CP (im Chat-Verkehr als «die Katze» getarnt) zugegeben, wehrt sich aber gegen die Komplott-Theorie. Er habe nie Daten an Medien weitergegeben, für die öffentliche Explosion der Affäre seien alleine Geri Müller und CP verantwortlich.
Das ist kompletter Unsinn. Zwar hat Bollag, soweit das aufgrund der Protokolle zu beurteilen ist, tatsächlich nie etwas direkt an Medien weitergegeben. Ansonsten war sein Einfluss auf CP aber entscheidend. Dabei geht es weniger um das Geld, das Bollag der Frau bezahlte – 2000 Franken reichen einfach nicht, um relevant zu sein. Es geht um das Ausmass der «moralischen Unterstützung», die Bollag der hin- und hergerissenen CP gab. Es geht um Tipps und Anweisungen im Umgang mit Medien, es geht darum, dass Bollag Geri Müller in ein möglichst schlechtes Licht rückte und damit CP immer wieder zur Publikation ermutigte.
Im Fall von Bollag lohnt es sich, diverse Textpassagen zu zitieren – einerseits, um einen Eindruck des Tons zu erhalten, in dem er kommunizierte, andererseits um zu sehen, wie er in wichtigen Momenten reagierte und wie weit die Hilfestellung tatsächlich ging.
In der Nacht vom 6.5.2014 teilte CP Bollag mit, dass es Geri Müller aufgrund der ganzen Geschichte schlecht gehe. Bollags Anwort:
Später, Anfang August:
Als die Publikation der Affäre in «Weltwoche» und «Blick» in greifbare Nähe rückte, fühlte sich CP je länger desto unwohler und tat dies auch kund. Was Bollag nicht gefiel. Er schrieb u.a.:
Wenn CP Angst davor äusserte, dass die Geschichte auf sie selbst zurückfallen könnte, legte ihr Bollag zwar nahe, die Dokumente bei der Staatsanwaltschaft in Biel zu deponieren und damit den offiziellen Weg zu beschreiten. Er schrieb aber auch:
Dann, als CP ihm mitteilte, dass die «Weltwoche» auf Druck von Geri Müllers Anwalt auf eine Publikation verzichte und sie selbst für immer schweigen wolle, reagierte Bollag sichtlich geschockt und beleidigt:
Später, nach den Vorfällen in Baden, wendete sich CP erneut an Bollag. Sie sei noch bei der Kantonspolizei, habe kein Geld für ein Hotel. Bollag schrieb um 23.20.50 Uhr:
Am nächsten Tag – die Sache mit Patrik Müller war bereits eingefädelt – legte Bollag bezüglich Kantonspolizei nach:
Fazit: Josef Bollag manipulierte CP nach Kräften. Er verstand es ausgezeichnet, die verzweifelte, verwirrte Frau gegen Geri Müller aufzubringen, sie wenn nötig neu zu motivieren und in die richtige Richtung zu lenken. Kein schönes Bild.
4. René Lüchinger: unehrlich
Am 18.8.2014 sagte «Blick»-Chefredaktor René Lüchinger dem Portal persoenlich.com:
Dieses Statement ist aufgrund dessen, was die Chat-Protokolle dokumentieren, eine glatte Lüge. Denn René Lüchinger betonte in der Kommunikation mit CP wiederholt, wie relevant die Daten seien, er versuchte wiederholt, CP davon abzuhalten, ihrem Mitleid mit Geri Müller nachzugeben. Und Lüchinger hätte publiziert, wenn ihm CP das OK gegeben hätte.
Nach kurzem Chat-Kontakt teilte CP René Lüchinger am 8.6.2014 mit, dass sie doch nicht publizieren wolle.
Lüchingers Antwort:
Offenbar war Lüchinger in der Folge überzeugend. Denn am 12.6.2014 schrieb CP an Josef Bollag:
Als CP René Lüchinger zwei Tage später, am 14.6.14, nach einigem Hin und Her, noch einmal absagte, akzeptierte der «Blick»-Chef den Entscheid einerseits, versuchte aber andererseits erneut, CP umzustimmen:
Die Publikation hing also einzig und allein von der Mitarbeit CPs ab. Am 3.7.2014 schrieb CP an Wigdorovits:
Am 9.8.2014, nach der Geschichte mit den Nacktselfies einer Bundeshaussekretärin und dem erneuten Kontakt mit «Weltwoche»-Mann Philipp Gut (siehe nächstes Kapitel), brachte CP auch Lüchinger wieder ins Spiel. Diese zweite Chance wollte sich der «Blick»-Chef nicht entgehen lassen. Jedenfalls regte er an, sich am 11.8.2014 mit CP zu treffen. Diesen Termin sagte die mittlerweile völlig verwirrte Frau kurzfristig ab.
Trotzdem schrieb sie am 12.8.2014 an Bollag:
Dann kam die Wende: Philipp Gut teilte CP am Abend des 12.8.2014 mit, dass Geri Müllers Anwalt interveniert habe und er doch nicht publizieren könne. Wenige Minuten später schrieb CP an René Lüchinger:
Danach ist von René Lüchinger nichts mehr zu lesen. Er reagierte auch nicht, als ihm CP in der Nacht vom 13. auf den 14.8.2014 verzweifelte Nachrichten aus dem Spital in Baden schickte.
Die Frage ist: Was trieb René Lüchinger an? Fand er die Affäre tatsächlich relevant oder ging es ihm bloss um die Sensation? Beide Möglichkeiten werfen kein gutes Licht auf seine journalistische Kompetenz. Und: René Lüchinger hat in seinem Statement für persoenlich.com schlicht gelogen. Kein schönes Bild.
5. Philipp Gut: scheinheilig
Dass die (guten und wohlformulierten) Gründe, welche die «Weltwoche» nachträglich für die Nicht-Publikation der Affäre angab, eine Lüge sind, ist hinlänglich bekannt – spätestens, seit der Streit mit Ex-«Weltwoche»-Journalist Urs Paul Engeler bekannt geworden ist. Wie extrem die Kehrtwende tatsächlich ist, zeigt der Chat-Verkehr zwischen «Weltwoche»-Vize Philipp Gut und CP.
Entstanden war der Kontakt Anfang Juni. Bereits am 14.6.2014 machte CP den Hoffnungen Guts ein Ende:
Eine Absage, die Gut akzeptierte. Dann aber, zwei Monate später, nach Bekanntwerden der Nacktselfies einer Bundeshaussekretärin, war es Philipp Gut, der die Initiative ergriff und sich bei CP meldete. Am 7.8.2014 schrieb er:
CPs Antwort:
Guts Antwort:
Gut liess nicht mehr locker. Am 9.8.2014 schrieb er:
Doch, je näher die Publikation in der «Weltwoche» rückte, desto unwohler fühlte sich CP. Am 12.8.2014 fragte sie Philipp Gut:
Guts Antwort:
Philipp Gut und die «Weltwoche» wollten am 14.8.2014 publizieren, wurden aber von Geri Müllers Anwalt daran gehindert. Gut teilte dies CP am Abend des 12.8.2014 – offenbar per Telefon – mit. Jedenfalls schrieb CP danach um 22.06.47 Uhr an Bollag:
Ein leeres Versprechen; schon am nächsten Morgen ging der Dialog zwischen CP und Gut weiter. Auf den Hinweis von CP, dass Geri Müller versuche, die Medien generell an einer Publikation zu hindern, antwortete Gut am 13.8.2014:
Dann, in der Nacht vom 13. auf den 14.8.2014, nach den Vorfällen in Baden, meldete sich CP auch bei Gut und leitete ihm den Rapport weiter, den sie für Wigdorovits geschrieben hatte. Guts Interesse war geweckt – und während er zwei seiner letzten Nachrichten absetzte …
… sass Sascha Wigdorovits bereits bei Patrik Müller von der «Schweiz am Sonntag». Das Ende für die «Weltwoche» – in Patrik Müller hatte CP einen neuen Abnehmer für ihre Geschichte gefunden.
Wenn man sieht, wie interessiert Philipp Gut und die «Weltwoche» an der Geschichte tatsächlich waren, versteht man besser, weshalb sich Patrik Müller nur zwei Tage Zeit nahm für seine Recherche, weshalb er alle journalistischen Grundsätze über Bord warf. Er musste davon ausgehen, dass die «Weltwoche» am folgenden Donnerstag publizieren würde. Am Sonntag danach wäre er zu spät gewesen …
Zusammenfassend lässt sich sagen: Philipp Gut hatte grossen Einfluss auf die Entwicklung des Falls. Er führte, abgesehen von Josef Bollag, den ausführlichsten schriftlichen Verkehr mit CP, er fand immer wieder deutliche Worte für die Relevanz von Geri Müllers Taten, er ging nach den Vorfällen um die Nacktselfies einer Bundeshaus-Sekretärin aus eigenem Antrieb wieder auf CP zu und lancierte damit die zweite Medienrunde.
Die «Öffentlichkeit darf wissen, was in Amtsstuben geschieht» – eine Aussage, die Philipp Gut nach «intensiver Diskussion» in der «Weltwoche»-Redaktion machte – eine Aussage, die das Gegenteil von dem ist, was die «Weltwoche» knapp zwei Wochen später als Grund für die Nichtpublikation am 14.8.2014 angab. Scheinheiliger gehts nicht mehr. Kein schönes Bild.
PS: Alle Chat-Zitate sind im Originaltext wiedergegeben, inklusive Fehler und Auslassungen. Einzig Personennamen und Telefonnummern wurden wo nötig angepasst.