Déjà-vu in Paris

Eine Woche ist seit den Anschlägen in Paris vergangen. Und bereits lässt sich sagen: Ein Déjà-vu reiht sich an das andere …

  • Es gibt Vorwarnungen, die unbeachtet bleiben (1, 2).
  • Unmittelbar vor den Anschlägen üben die Sicherheitsdienste ziemlich genau das, was nachher passiert (1, 2, 3)
  • Die Attentäter platzieren Hinweise, die die Ermittler direkt zu den Hintermännern führen (1).
  • Der Anschlag wird so verübt, dass die Opferzahlen limitiert bleiben (im Verhältnis zu dem, was ohne Zusatzaufwand möglich gewesen wäre) (1, 2).
  • Noch bevor die ersten Toten geborgen sind, steht zweifelsfrei fest, wer die Tat verübt hat.
  • Ein zuvor schwacher Präsident antwortet mit Kriegsrhetorik.
  • Der betroffene Staat baut den Sicherheitsapparat aus und beschränkt den Einfluss der Justiz.
  • Die Drahtzieher der Anschläge sind entweder tot oder für Presse und Justiz nicht zugänglich.

Und wie immer ist in den Mainstreammedien kaum ein kritisches Wort zu lesen. Damit wir uns richtig verstehen: All diese Zufälle, all diese Muster müssen noch nichts heissen. Aber sie sollten einen Journalisten zumindest stutzig machen und zu kritischen Fragen anregen.

Fehlanzeige. Was auch immer Polizei und Geheimdienste verlauten lassen, wird kritiklos heruntergebetet. Das kann bisweilen abstruse Züge annehmen, wie z.B. gestern Abend im Beitrag der SRF-Tagesschau:

Stimme aus dem Off: «Dabei ist auch Abdelhamid Abaaoud umgekommen. Er sei das Gehirn bei der Anschlagsplanung gewesen. Und nicht nur das, so Innenminister Bernard Cazeneuve.»

Pressekonferenz von Bernard Cazeneuve. Er sagt: «Die Erkenntnisse, die unsere Dienste in den letzten Monaten zusammengetragen haben, zeigen klar: Abdelhamid Abaaoud ist auch mitverantwortlich für vier geplante Attentate Mitte und Anfang Jahr. Und auch die tragen die Handschrift des IS.

Stimme aus dem Off: «So dürfte er in den vereitelten Anschlag auf zwei Kirchen in Villejuif im Süden von Paris involviert gewesen sein. Und es gibt auch Spuren zum Attentat auf den Thalys-Zug im August mit drei Verletzten. Auch dieser Anschlag konnte vereitelt werden, von Mitreisenden. Vor etwa zwei Jahren soll sich Abdelhamid Abaaoud dem IS in Syrien angeschlossen haben. Dort vermuteten ihn die französischen und belgischen Behörden bis vor den jüngsten Anschlägen.

Das heisst: Man beobachtete Abaaoud – bzw. seine Leute, falls er selbst tatsächlich in Syrien war – seit Monaten. Man wusste, dass er – bzw. seine Leute, falls er selbst tatsächlich in Syrien war – in mindestens vier Anschläge verwickelt war. Man liess ihn – bzw. seine Leute, falls er selbst tatsächlich in Syrien war – gewähren und einen Plot nach dem anderen ausführen, bis es richtig knallte. Erst dann wurde man aktiv. Ein Schelm, wer nur schon nachdenkt …

Aber eben: Wie immer, wenn es richtig viele Tote gibt (das heisst, wenn von Terror die Rede ist und sich die Toten politisch ausschlachten lassen), erübrigen sich Unschuldsvermutung, kritische Fragen und – wie die nächsten Wochen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zeigen werden – eine ernsthafte Untersuchung. Das stört ausser ein paar Verschwörungsspinnern niemanden, denn die Täter sind ja tot und man muss sich wichtigerem zuwenden: Krieg.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Medienkritik, Politik, Terror. Bookmarken: Permanent-Link. Kommentieren oder ein Trackback hinterlassen: Trackback-URL.

Ihr Kommentar

Die Eingabe der Kontaktinformationen ist nicht nötig. Die Angaben helfen uns aber, bei Bedarf mit Ihnen in Kontakt zu treten. Ihre E-Mail-Adresse wird unter keinen Umständen veröffentlicht oder weitergegeben.

Sie können die folgenden HTML-Tags und Attribute verwenden: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>