Philipp Löpfe: Troll-Alarm

Die Hintergründe des Syrienkonflikts sind für Aussenstehende nur schwer zu durchschauen – wer kämpft mit wem gegen wen für wessen Interessen in wessen Aufrag? Helmut Scheben, ehemaliger Mitarbeiter des Schweizer Fernsehens, hat auf den Online-Portalen infosperber.ch und watson.ch eine Analyse publiziert, die nicht dem Mainstream entspricht. Ich finde Schebens Text interessant und stringent, seine Einschätzungen sind relativ gut dokumentiert.

Das sieht Philipp Löpfe, der ebenfalls für infosperber.ch und watson.ch schreibt, anders – ganz anders. In seiner Replik kritisiert er Scheben scharf. Selbstverständlich darf Löpfe das, er darf in seiner Kritik so hart sein, wie er will, solange er belegt, was er schreibt und solange er fair bleibt. Beides tut Löpfe nicht. Er belegt keine einzige seiner Aussagen und geht zum Teil weit unter die Gürtelline.

Bereits der Titel lässt ahnen, was uns erwartet:

Syrien – ein Spielball der Mächte? Wie watson auf einen Putin-Troll hereingefallen ist

Darunter schreibt Löpfe den Lead:

Der syrische Diktator Baschar al-Assad ist eigentlich ganz okay, auch der bosnische Kriegsverbrecher Radovan Karadzic war streng genommen kein Böser, die Annexion der Krim war völkerrechtlich in Ordnung, und überhaupt meinen es Putin & Co. nur gut: Diese Thesen verbreitet der Journalist Helmut Scheben – leider auch auf watson.

Was gelinde gesagt unpräzis ist. Auf watson.ch ist von Helmut Scheben nämlich nur der Text zu Syrien zu lesen, nichts zu Karadzic, nichts zur Krim, nichts zu «Putin meint es gut».

Leider bemüht sich Löpfe auch in der Folge keinen Moment um Fairness oder Fakten. Er schreibt:

Kurz: Das wurde alles zu viel für den armen Assad und «seine Regierung in Damaskus sah keinen anderen Weg mehr, als den Terrorgruppen mit massiven militärischen Schlägen zu begegnen», so Scheben. Das alles war wohlgemerkt nicht eine brutale Unterdrückung des Volkes durch einen Diktator, sondern ein teuflischer Plan der Opposition, die damit der «Weltöffentlichkeit ein Regime vorführen (konnte), welches mit Artillerie und Luftwaffe ganze Stadtviertel unter Feuer nahm».

Ganz egal, ob Scheben mit seiner Darstellung – für die er notabene Quellen nennt – richtig liegt oder nicht: Löpfe bringt für seine Sicht der Dinge null Argumente, null Belege, einfach nichts. Dieses Prinzip zieht sich ebenso durch den ganzen Artikel wie der herablassende Ton. Auch vor Diffamierungen schreckt Löpfe nicht zurück:

Das alles wollte der gute Assad offenbar gar nicht, und die Sache mit den Giftgasangriffen sei ohnehin erstunken und erlogen, eine Propagandalüge.

Bezeichnend, dass Löpfe den Giftgasangriff ins Spiel bringt. Es ist bis heute – z.B. laut UNO – unklar, wer für dieses Kriegsverbrechen verantwortlich ist (1, 2). Zahlreiche Indizien sprechen eher gegen Assad als Urheber. Wenn also Löpfe suggeriert, Assad sei definitiv schuldig, dann ist das tatsächlich eine Propagandalüge – nichts anderes. Aber wen kümmern schon Fakten:

Nachdem das geklärt und Assad reingewaschen ist, kommt Scheben zu seiner zentralen Botschaft: Der Westen muss zusammen mit Putin Assad stützen. Als Zeuge wird dabei der ehemalige «Zeit»-Journalist Michael Lüders ins Feld geführt mit dem Zitat: «Es war ein grosser Fehler, Assad um jeden Preis stürzen zu wollen. (…) Nüchtern besehen kam der syrische Aufstand mindestens zehn Jahre zu früh. Die Bedingungen für einen Machtwechsel waren nicht gegeben.»

Ganz abgesehen davon, dass Scheben mit dieser Einschätzung in guter Gesellschaft ist und Lüders als Kenner der Region gilt, bringt Löpfe auch hier keinerlei Anhaltspunkte für die Falschheit von Schebens Aussage. Er setzt wieder nur auf Beleidigung.

Weil er offensichtlich inhaltlich nichts zu bieten hat, mit dem er Schebens Analyse ernsthaft kontern könnte, weicht Löpfe in der Folge auf Texte aus, die Scheben andernorts publiziert hat.

Schebens Machwerk ist kein einmaliger Ausrutscher. So hat er beispielsweise in der «Neuen Rheinischen Zeitung» unter der Schlagzeile «PR-Aufträge für Hass und Tod» einen Artikel verfasst, in dem er den bosnischen Kriegsverbrecher Radovan Karadzic wie Assad reinwäscht.

(…)

Alles halb so schlimm, findet Scheben. Das meiste davon seien PR-Lügen von hoch bezahlten amerikanischen Spin-Doktoren. «Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben bewiesen, dass es falsch ist, dass die Zusammenhänge weitaus komplizierter waren. Auf Seiten der bosnischen Moslems kämpften teilweise internationale Einheiten fanatisierter Islamisten, die den heutigen Kopfabschneidern des Islamischen Staates an Brutalität nicht nachstanden.»

Auch hier: Scheben mag recht haben oder nicht. Der Punkt ist: Löpfe bringt nicht den Hauch eines Beweises dafür, dass Scheben falsch liegt. Er schafft es nicht einmal, dieses und/oder weitere Beispiele aus Schebens angeblichem Sündenregister zu verlinken, damit wir uns selbst ein Bild machen können.

Zu schlechter Letzt setzt Löpfe seinem Artikel die Krone auf, in dem er sich darüber ärgert, dass Scheben in den Kommentaren zu seinen Texten gelobt wird. Löpfe schreibt:

Begleitet werden Schebens Artikel jeweils von einem Chor von Putin-Trolls.

(…)

Nicht nur watson wird so mit Lob der Putin-Trolls überschüttet. «Danke, Herr Scheben! Alles oder fast alles gesagt, was es zu sagen gibt», heisst es auf «Infosperber». Auf «Journal 21» wiederum fragt ein Leser besorgt: «Dürfen Putin, sein Land und seine Menschen nicht in Ruhe und Sicherheit leben?»

Was kann Scheben dafür, wenn er solche Kommentare erhält? Natürlich nichts. Aber Löpfe schliesst daraus:

Der Verdacht liegt nahe, dass Scheben Teil der russischen Propaganda-Maschinerie ist.

Im Klartext: Löpfe unterstellt Scheben, von den Russen bezahlt zu werden. Das ist mehr als Diffamierung, das ist Verleumdung. Denn Löpfe liefert, wie könnte es anders sein, als «Beweis» nichts als heisse Luft.

Im Titel hatte Löpfe Scheben als Troll bezeichnet. Troll bedeutet laut Wikipedia:

Als Troll bezeichnet man im Netzjargon eine Person, welche Kommunikation im Internet fortwährend und auf destruktive Weise dadurch behindert, dass sie Beiträge verfasst, die sich auf die Provokation anderer Gesprächsteilnehmer beschränken und keinen sachbezogenen und konstruktiven Beitrag zur Diskussion enthalten.

Eine Definition, die in diesem Fall eher auf Löpfe denn auf Scheben zutrifft. Fast bin ich versucht zu schreiben: Der Verdacht liegt nahe, dass Löpfe Teil der US-Propaganda-Maschinerie ist …

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