Philipp Löpfe: Troll-Alarm II

Philipp Löpfes Rundumschlag gegen Helmut Scheben und dessen infosperber.ch-Analyse zur Syrienkrise ist offensichtlich nicht nur mir in den falschen Hals geraten. Jedenfalls sah sich Löpfe genötigt, einen «offenen Brief auf einen Artikel, der ein grosses Echo und ein paar Missverständnisse ausgelöst hat», nachzureichen.

Schon im Titel wird klar, dass es nicht um eine Entschuldigung geht, auch wenn dieses Wort vorkommt:

Bei euch, liebe zu Unrecht als Putin-Trolls Beschimpfte, möchte ich mich entschuldigen. Bei allen anderen nicht

Was folgt sind einerseits erneute Frontalangriffe gegen Scheben, andererseits deplatzierte Russland-Analysen und wirre Statements zu Meinungsfreiheit und Propaganda.

Löpfe fährt nahtlos dort weiter, wo er in seinem ersten Artikel aufgehört hat. Er diffamiert Scheben – wiederum mit diffusen Vorwürfen bezüglich Krim-Annexion und Karadzic –, offensichtlich ohne etwas Konkretes in der Hand zu haben. Er schreibt:

Ich habe keine liquiden Beweise dafür, dass Helmut Scheben ein Putin-Troll ist. Die Indizien dafür sind jedoch erdrückend.

Indizien, die wir nach wie vor gerne sehen würden. Aber Löpfe will einfach nicht, dass wir uns selbst ein Bild machen. Wir können ihm also glauben – oder es bleiben lassen.

Ich lasse es bleiben. Denn was folgt, ist wenig überzeugend. Löpfe schreibt:

Zudem habe ich Scheben schriftlich gebeten, Stellung zu diesem Vorwurf zu beziehen. Er hat darauf bis jetzt nicht reagiert.

Wie es sich mit dieser Bitte um Stellungnahme genau verhält, hat inforsperber.ch inzwischen klargestellt:

Philipp Löpfe gab dem kritisierten Autor Helmut Scheben die Gelegenheit zur Stellungnahme nur zum pauschalen «Verdacht, er sei Teil der russischen Propaganda-Maschinerie. Wollen Sie dazu Stellung beziehen (es eilt)?». Ein Kritisierter muss jedoch Gelegenheit haben, sich zu den ganz konkreten Vorhaltungen äussern zu können. Was würde Löpfe sagen, wenn wir einen Artikel von ihm zersausen und ihn zuvor lediglich fragen würden: «Was sagst Du zum Vorwurf, Teil der US-Propaganda-Maschinerie zu sein?», ohne dass wir ihm mitteilen, aufgrund welcher Tatsachendarstellungen wir diesen Vorwurf erheben würden?

Ich nehme an, Löpfe würde eine solche Anfrage lächerlich finden … Lächerlich ist auch das richtige Wort dafür, wie es in Löpfes Text weitergeht. Er schreibt:

Helmut Scheben ist gelegentlich auch Gast beim TV-Sender «Russia Today» (RT), einem üblen Propaganda-Sender, vergleichbar vielleicht mit Fox News, allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: In den USA ist Fox News einer von vielen Sendern..

Die Redaktion von infosperber.ch hat auch hierzu gesagt, was es zu sagen gibt:

In den USA ist «RT» ebenfalls nur ein Sender unter vielen. Die US-Ausgabe von RT kann man sogar als journalistischer, kritischer und kontroverser einschätzen als «Fox News». Sind etwa alle Interviewten in «Fox News» Propagandisten der US-Politik? Dass Schebens Auftritt beim RT nahelege, dass Scheben ein Putin-Troll sei, ist reichlich abstrus. Namhafte Chefredaktoren, Professoren und republikanische und demokratische Kongress-Abgeordnete lassen sich von RT interviewen. Löpfe kann kritisieren, was Scheben im RT-Interview allenfalls gesagt hat. Das tut er aber nicht.

Fünf Minuten Recherche bezüglich RT hätten Löpfes Text gut getan. Was solls. Er setzt seine Russland-Kritik fort:

Russland ist weder ein Rechtsstaat noch eine Demokratie. Oppositionelle werden schikaniert, Homosexuelle diffamiert und westliche NGOs ausgewiesen. Putin selbst bezeichnet das als eine «gelenkte Demokratie», eine höfliche Umschreibung für eine Diktatur. Vieles an der russischen Propaganda erinnert an die Zeiten der UdSSR, auch die Auslandpropaganda.

Das stimmt. Nur: Was hat das bloss mit Schebens Analyse zu Syrien zu tun? Genau: nichts. Denn in Schebens Text kommen die Begriffe Putin und Russland kaum vor. Wenn man Scheben einen Vorwurf machen kann, dann möglicherweise denjenigen, dass Assads Rolle zu positiv dargestellt wird.

Endlich kommt Löpfe zum eigentlichen Thema seines Texts: Meinungsfreiheit und Propaganda. Besser wird es deswegen nicht:

Meinungsfreiheit ist selbstverständlich auch für uns ein zentrales Anliegen. Aber wie geht man mit denen um, welche die Meinungsfreiheit mit Füssen treten und gleichzeitig im Namen eben dieser Meinungsfreiheit das Recht auf die Verbreitung ihrer Propaganda einfordern?

Normalerweise setzt man Propaganda Fakten entgegen, man argumentiert und verzichtet auf Diffamierung – man macht also genau das Gegenteil von dem, was Löpfe tut.

Das heisst konkret: Selbstverständlich ist es erlaubt, ja es ist ausdrücklich erwünscht, bei watson über kontroverse Themen zu diskutieren und seine Meinung einzubringen, auch im Fall von Putin.

Vielsagend, dass Löpfe dies explizit erwähnen muss. Trotzdem bin ich erleichtert – wir sind ja hier schliesslich nicht in Russland …

Aber wir versuchen zu verhindern, dass mit falschen Fakten manipuliert wird.

Wenn Fakten falsch sind, sind es keine Fakten. Oder will uns Löpfe damit sagen: Falsche Fakten sind zwar schon Fakten (also richtig), aber eben doch falsch, weil sie nicht ins Bild passen?

Wie auch immer. Klar ist, dass Löpfe inzwischen den Faden verloren hat:

Nicht jeder, der die westliche Sicht zur Krim-Annexion nicht teilt, ist zwangsläufig ein Putin-Troll. Man kann auch aus eigener Überlegung zu einer anderen Ansicht gelangen, und sicher hat es unter den 400 Kommentaren zu meinem Artikel auch Stimmen, die bass erstaunt waren, dass sie beschuldigt werden, Russen-Propaganda zu verbreiten.

Eine 180-Grad-Kehrtwende. Plötzlich ist es sogar in Ordnung, die Annexion der Krim gutzuheissen, etwas, das Löpfe ein paar Zeilen weiter oben noch als Totschlag-Argument gegen Scheben verwendet hat.

Ich bin froh, nähern wir uns dem Ende. Löpfe schreibt:

Bei euch, liebe zu Unrecht als Putin-Trolls Beschimpfte, möchte ich mich entschuldigen. Ich hoffe, dass ihr weiterhin eure Meinung bei watson kundtut.

Dazu noch ein gut gemeinter Tipp: Beginnt euren Kommentar bei Themen im Zusammenhang mit Russland nicht mit «Danke, liebes watson-Team» und meidet den Ausdruck «Mainstream-Medien» wie die Pest. Ihr droht sonst in gut organisierte schlechte Gesellschaft zu geraten.

Will heissen: Wir sind zwar willkommen, aber nur, wenn wir uns bezüglich Russland an den von Löpfe vorgegebenen Korridor der erlaubten Meinungen halten und keine verbotenen Wörter in den Mund nehmen. Sonst kommt direkt die Putin-Troll-Keule geflogen. – Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass Löpfe zu viel über Zensur in Russland nachgedacht hat …

Im Ernst: Die Art, in der Löpfe gegen Scheben, gegen seinen Syrien-Text und gegen Andersdenkende vorgeht, ist mehr als merkwürdig. Statt Schebens Text zu widerlegen, wo man ihn widerlegen kann, konzentriert sich Löpfe auf Beleidigungen, auf Russland-Kritik und eine simple Unterteilung der Welt in Gut und Böse, in Troll und Nicht-Troll. Was soll das?

Mir fällt zu Löpfes Tiraden nur ein passendes Wort ein: unprofessionell.

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