Kategorien
- Allgemein (7)
- Banken (31)
- Gesellschaft (19)
- Justiz (35)
- Medien (26)
- Medienkritik (81)
- Menschenrechte (25)
- Politik (91)
- Sport (1)
- Terror (47)
- Veranstaltungen (2)
Neue Kommentare
- miller bei Christian Mensch:
ein Orthodoxer auf Ketzerjagd - Wendelin Reinhardt bei SRF-Club: «wirr und unverständlich»
- Anonym bei Philipp Löpfe: Troll-Alarm
- Stefan bei George H.W. Bush: Monster mit Maske
- Serge Winkler bei George H.W. Bush: Monster mit Maske
- miller bei Christian Mensch:
Berichterstattung
Diverses
Journalisten/Medien
Medienblogs
Soziale Medien
Credit Suisse: schwere
Beratungsfehler – mindestens
2011 offerierte die Credit Suisse ihren Kunden, wertlose Lehman Brothers-Papiere zu bündeln und an Dritte zu vermitteln. Wer einstieg, erzielte zwischen 21 und 31 Prozent der verlorenen Summe. «Immerhin» werden sich viele gedacht haben. Das Problem: Wer die Titel im Depot beliess, erhält seit 2012 Lehman-Liquidationszahlungen. Diese haben bis heute rund das Doppelte der 2011er-Verkaufsrunde eingebracht.
Am 15. September 2008 ging die US-Investmentbank Lehman Brothers in Konkurs. In der Schweiz waren rund 20’000 Anleger betroffen. Einige wurden von den Banken, die ihnen die Lehman-Papiere vermittelt hatten, vollständig entschädigt, andere teilweise, viele gar nicht. Vor allem die Credit Suisse (CS), die mit Abstand grösste Vertreiberin von Lehman-Produkten in der Schweiz, stellte sich stur. Die Rückzahlungen sollten auf ein Minimum limitiert werden.
Anfänglich erhielten nur Kunden mit 50 Prozent Lehman-Anteilen im Depot und weniger als CHF 500’000 Vermögen ein Teilrückkaufsangebot (mit anderen Worten: relativ wenige). Mitte April 2009, kurz nachdem die Finma ihren manipulierten Lehman-CS-Bericht veröffentlicht hatte (1, 2, 3), wurde der benötigte Anteil Lehman-Papiere im Depot auf 20 Prozent gesenkt. Ausbezahlt wurden den betroffenen Kunden zwischen 25 und 70 Prozent der verlorenen Summe (beinhaltet Angebote aus der Friedensrichterrunde von 2010).
«Nette Geste» mit Folgen
2011 schliesslich offerierte die CS jenen Anlegern, die nach wie vor Lehman-Titel hielten, die Papiere zu sammeln und am Markt zu verkaufen. Dieser ist Kleinanlegern nicht zugänglich, es werden nur grosse Pakete gehandelt. Wer auf das Angebot einging und «Erfolg» hatte, erhielt 21 bis 31 Prozent der ursprünglich investierten Summe – verlor aber aus heutiger Sicht noch einmal viel Geld. Denn bereits 2012 begann die Lehman Brothers Holdings Inc. mit Liquidationsausschüttungen. Insgesamt zehn sind bis heute an die Gläubiger ausbezahlt worden. Schon jetzt haben jene CS-Kunden, die nicht auf das CS-Verkaufsangebot einstiegen und die Titel im Depot beliessen, deutlich mehr Geld erhalten, manche bis zu 50 Prozent der verlorenen Summe. Und: Weitere Ausschüttungen zeichnen sich ab.
Was also auf den ersten Blick als nette Geste seitens der CS ausgesehen hat, erweist sich jetzt als grober Fehler, als neuerlicher Verlust von teilweise viel Geld. Michael Schmid, selber CS-Lehman-Opfer und in der Schweiz einer der besten Kenner des Falls, hat zusammengestellt, welcher Valor 2011 am Markt für welchen Preis verkauft wurde und was seit 2012 für dieselben Papiere an Liquidationsausschüttungen bezahlt worden ist (Vergleich).
Kein schönes Bild. Der CS muss man deshalb schwere Beratungsfehler vorwerfen – mindestens. Es stellen sich verschiedene Fragen:
1. Gab es Anzeichen, dass aus dem Liquidationsverfahren deutlich mehr Geld fliessen würde als die gebotenen 21 bis 31 Prozent? Hätte die CS diese Anzeichen sehen müssen?
Für die Öffentlichkeit war es 2011 schwierig zu beurteilen, ob und wie viel Geld aus der Lehman-Konkursmasse bleiben würde. Ebenso schwierig ist es für Aussenstehende abzuschätzen, wie weit man in der Bankenbranche über die tatsächlichen Verhältnisse in Konkurrenzhäusern im Bild ist. Klar ist, dass die CS aufgrund personeller Rochaden über beträchtliches Insiderwissen bezüglich Lehman verfügte. Michael Schmid stellte 2010 als Co-Autor einer Aufsichtsbeschwerde gegen die FINMA fest:
Dies wirft nicht nur ein mehr als schlechtes Licht auf das Verhalten der CS kurz vor dem Lehman-Konkurs (wusste die CS, wie schlecht es um Lehman stand? Forcierte die CS deshalb im letzten Moment den Vertrieb von Lehman-Produkten an ihre Kunden?), sondern auch auf das Verhalten danach. Will hiessen: Eigentlich hätte die CS aufgrund ihrer Lehman-Insiderkenntnisse wissen müssen, dass die Chance auf beträchtliche Liquidationsausschüttungen gross war.
2. Hat die CS von der 2011er-Verkaufsrunde profitiert?
Wieso liess die CS ihre Kunden trotzdem in den Verkaufshammer laufen? Die Vermutung, die CS habe die Titel möglichst billig zurückgekauft, um als Institut selbst zu profitieren, dürfte, zumindest was die 2011er-Runde betrifft, nicht stichhaltig sein. Schliesslich sind die Titel nicht an die CS gegangen, sondern am Markt verkauft worden. CS-Mediensprecher Tobias Plangg beantwortet eine entsprechende Frage wie folgt:
An wen die 6 fraglichen Valoren schliesslich gingen – dazu äussert sich die CS nicht – ändert am finanziellen Ergebnis für die Kunden nichts. Tatsache ist: Ihnen wurden die Lehman-Papiere mit Hilfe der CS zu einem Preis abgekauft, der aus heutiger Sicht weit unter Wert lag. Jetzt schon übersteigen die Liquidationsausschüttungen den Kaufpreis um bis zu 100 Prozent. Wer sich diesen Gewinn eingestrichen hat bzw. weiterhin einstreicht, ob die CS, eine Partnerbank oder sonst jemand, ist für die Geschädigten nur von emotionaler Bedeutung.
3. Hat die CS von ihren früheren Kulanz- bzw. Rückkaufangeboten profitiert?
Interessant in Planggs Antwort ist der folgende Satz: «Für die 6 genannten Valoren, die im Rahmen des beschriebenen Prozesses 2011 im Auftrag der Kunden verkauft wurden, hat die Credit Suisse AG daher nie Abschlagszahlungen aus den Insolvenzverfahren der Lehman Brothers Gruppengesellschaften erhalten.» Daraus liesse sich schliessen, dass die Credit Suisse für die 6 Valoren, die sie im Rahmen der ersten (2008/2009) oder zweiten (2009) Entschädigungsrunde oder im Rahmen der Friedensrichterrunde (2010) zurückgekauft hat, durchaus bis heute Liquidationszahlungen von Lehman Brothers erhält (und natürlich auch für all die anderen Valoren, die zurückgekauft worden sind). Da die Höhe der bisherigen Zahlungen bekannt ist und auch die Höhe der «Kulanzangebote», lässt sich mit Sicherheit sagen, dass die CS teilweise bereits satte Gewinne erwirtschaftet hat (vor allem aus der «Friedensrichterrunde») bzw. den Rückkaufpreis beinahe egalisiert hat (50 Prozent-Angebote aus der Entschädigungsrunde von 2009), falls die fraglichen Titel bei ihr geblieben sind.
Auf Nachfrage schreibt Tobias Plangg:
Leider hat die CS diesbezüglich bis jetzt nichts gesagt.
Das Geld gehört den Kunden
Entgegen dem, was die Finma in ihrem manipulierten Bericht schreibt, wusste die CS 2007/2008 genau, wie schlecht es um Lehman stand. Das zeigen verschiedene Indikatoren, das Insiderwissen von Shafir und Callan ist dabei nur ein Aspekt unter anderen. Trotzdem hielt es die Bank nicht für nötig, ihre Kunden zu warnen. Im Gegenteil, wie der interne Finma-Bericht zeigt und wie zig Betroffene bestätigen, forcierte sie kurz vor dem Lehman-Konkurs den Verkauf der Papiere.
Mit der 2011er-Verkaufsrunde erwies die CS ihren Kunden einen weiteren Bärendienst. Es bleibt ein Rätsel, weshalb die Bank in ihrem Deponentenschreiben zwar mitteilte …
… sich aber mit keinem Wort zum Stand der Chancen äusserte. Es ist klar, dass sich die CS nicht auf konkrete Zahlen festlegen konnte. Aber sie hätte ihre Kunden, die sie mit ihrem Verhalten vor dem Lehman-Konkurs um sehr viel Geld gebracht hatte, definitiv um einiges besser unterstützen können. Vielleicht tat sie das in Einzelfällen – mir sind allerdings keine bekannt.
Und: Das Geld, das die CS inzwischen aufgrund ihrer Lehman-Rückkäufe höchstwahrscheinlich verdient hat (siehe oben), gehört den Kunden. Es ist nicht verständlich, dass die CS diese Einnahmen den Geprellten nicht zugänglich macht.