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Das Zauberwort: Empörung
Isabelle Daniel von oe24.at postete am 5. September den folgenden Tweet:
Worauf das grosse Schulterklopfen losging – zustimmende Kommentare, Retweets usw. Wohlgemerkt: Die IS-Enthauptungsvideos sind erst ein paar Tage alt, auf ihre Echtheit geprüft haben sie bist jetzt vor allem Geheimdienstexperten – nicht unbedingt Quellen, die für ihre Glaubwürdigkeit bekannt sind. Von einer «historischen Wahrheit» kann also nicht die Rede sein. Zweifeln und hinterfragen müsste die erste Aufgabe eines Journalisten sein. Müsste.
Ich habe mir deshalb erlaubt, diese Antwort zu schicken:
Was folgte, war zwar absehbar, ist aber jedesmal wieder schockierend. Obschon ich deutlich machte, dass ich nicht weiss, ob die Videos echt sind und dass es mir nur um journalistische Grundsätze geht, schlug man mir sofort die Verschwörungskeule um die Ohren. Hier ein kurzes Worst-off (den ganzen Austausch finden Sie auf meinem Twitter-Profil):
Isabelle Daniel
Thomas Ley, «Blick»-Blattmacher und Mitglied der Chefredaktion:
So schnell gehts. Innert einer Woche sind Videos, die von Geheimdienstexperten für echt erklärt werden, die «Meinung» der ganzen Welt, quasi eine historische Wahrheit.
Zu schlechter Letzt mischte sich auch noch Michèle Binswanger vom Tagesanzeiger ein:
Das stimmt, tut aber leider gar nichts zur Sache. Was hingegen zur Sache tut: Jedes mediale Grossereignis sorgt dafür, dass viele gestandene Journalisten (nicht alle!) komplett den Überblick verlieren.
An was das liegen mag? Die Antwort ist einfach, das Zauberwort heisst Empörung. Wer echte Diskussionen verhindern will, muss für Empörung sorgen. Mit Empörung gewinnt die SVP fremdenfeindliche Abstimmungen, mit Empörung werden Menschenrechtsverletzungen gerechtfertigt, mit Empörung sorgen Terroristen und Regierungen dieser Welt dafür, dass Wirkung erzielt, was Wirkung erzielen soll.
Wie gesagt, ich habe keine Ahnung, ob die Videos echt sind. Es interessiert mich nur am Rande. Ob Menschen durch Drohnenattacken, während der Folter in geheimen Gefängnissen oder durch öffentliche Hinrichtungen sterben, ändert für sie selbst und ihre Angehörigen nichts.
Den Unterschied macht die mediale Aufbereitung. Sie definiert unsere Reaktion. Während es Tausende von Unschuldigen, die durch US-Drohnen ohne Recht auf Anhörung und Verteidigung verletzt oder getötet werden, kaum in die Randspalten der Zeitungen schaffen, sorgen zwei Hinrichtungen für den totalen Medienamok – bloss, weil eine Kamera dabei war.
Empörung: Einfach aber wirkungsvoll wird unsere Wahrnehmung dessen, was schlimm ist und was nicht, dessen, was man hinterfragen darf und was nicht, manipuliert. Viele Journalisten (nicht alle!) geben sich genau dem hin, was sie eigentlich bekämpfen sollten: voreilige Schlüsse, Denunzierung, Desinformation. Viele Journalisten (nicht alle!) vergessen vor lauter Empörung simpelste Grundsätze, sie sind schlicht nicht mehr in der Lage, zu differenzieren und Informationen nach Glaubwürdigkeit und Wichtigkeit zu sortieren – so werden Geheimdienste plötzlich zu glaubwürdigen Quellen, so werden Journalisten über Nacht zu Experten für Enthauptungen.
Kaum zu glauben: Eine Woche später spielt es schon keine Rolle mehr, ob die Tötungen der beiden Journalisten tatsächlich so stattgefunden haben oder nicht. Die gewünschte Wirkung wurde längst erzielt, der Verstand ist ausgeschaltet, zweifeln verboten, diskutieren unmöglich.
Nachtrag: Am Sonntag twitterte Thomas Ley:
So schnell wird also für Thomas Ley aus einer unseriösen eine seriöse Quelle. Hauptsache, die eigene Meinung wird bestätigt. Und Hauptsache, Andersdenkende können denunziert werden.